Die Set-Point-Theorie kennen die meisten von euch wahrscheinlich bereits aus der Praxis: Trotz erhöhtem Sportpensum und Kaloriendefizit bleibt der Zeiger auf der Waage stur – ihr scheint einfach nicht abnehmen zu können! Aber kann es wirklich sein, dass sich euer Körper dagegen wehrt – oder ist das nur eine Ausrede für das ein oder andere Kilo zu viel?! Das klären wir hier!
Die Set-Point-Theorie ist eine wissenschaftlich umstrittene These, die besagt, dass das menschliche Körpergewicht genetisch programmiert und durch äußerliche Maßnahmen nur schwer zu verändern ist. Euer Körper hat der Theorie zufolge ein individuelles Gewicht, seinen sogenannten Set-Point, bei dem er optimal funktioniert und das er bemüht ist, relativ konstant beizubehalten. Für euch als Sportler nicht uninteressant: Denn wenn Hormone, Organe und sonstige körperliche Prozesse reibungslos ablaufen, seid ihr auf eurem Energiehöhepunkt und könnt eure eigenen Rekorde und Best-Zeiten knacken.
Der Set-Point ist übrigens kein exaktes Gewicht, sondern vielmehr ein Wertebereich, zwischen dem euer normales Körpergewicht schwankt. Erst wenn diese Grenzen über- oder unterschritten werden, reagiert euer Körper mit Regulationsprozessen.
Dafür ist er mit einem eigenen Schaltzentrum im Gehirn ausgestattet, in dem er ständig euer Ist-Gewicht mit seinem Soll-Gewicht vergleicht. Weichen diese beiden Werte zu sehr voneinander ab, reagiert er mit körperlichen Signalen wie Hungergefühlen, Sättigung, Schlappheit, Trägheitsgefühlen oder Appetit. Diese Gegenmaßnahmen laufen automatisch ab.
Prinzipiell bedeutet das für die Set-Point-Theorie: Euer Körper reguliert nicht das Gewicht an sich, sondern euren Energieverbrauch bzw. eure Energieaufnahme, was letztlich natürlich zu der Zahl auf der Waage führt.
Der sogenannte Set-Point ist also gleichzusetzen mit eurem biologischen Idealgewicht und nicht durch übliche Methoden wie beispielsweise den BMI zu bestimmen.
Das führt allerdings zwangsläufig dazu, dass dieses biologische Idealgewicht nicht oder zumindest nur in seltenen Fällen dem gesellschaftlichen Idealgewicht übereinstimmt. Viele Menschen fühlen sich durch das gängige Schlankheitsideal unter Druck gesetzt und versuchen, ihren Set-Point durch Gegenmaßnahmen wie Diäten, exzessiven Sport oder allerlei Pillen herunterzuregulieren. Nach gesellschaftlichen Kriterien haben sie so zwar Idealgewicht, nicht aber nach biologischen.
Ein ständiges Kämpfen gegen euer Soll-Gewicht führt dann zu gesundheitlichen Schwierigkeiten: Müdigkeit, Kopfschmerzen, Unwohlsein, Magen-Darm-Probleme, Stimmungsschwankungen, ein verstärktes Kälteempfinden sind nur einige der Symptome.
Natürlich funktioniert die Set-Point-Theorie auch in die andere Richtung: Wenn ihr eure Soll-Gewichtsgrenzen sprengt, feuert euer Körper seinen Stoffwechsel richtig an, ihr schwitzt stärker oder euer Herz-Kreislauf-System wird vermehrt belastet.
Kommen wir zu einem Punkt, der wahrscheinlich die meisten von euch brennend interessiert: Bedeutet die Set-Point-Theorie, dass ihr es überhaupt nicht in der Hand habt, ob ihr zu- oder abnehmt? Sind alle Diäten, Bemühungen um eine gesunde Ernährung und schweißtreibende Workouts für die Katz‘?!
Wenn ihr darauf gehofft habt, muss ich euch enttäuschen: Abnehmen ist immer möglich, Set-Point-Theorie hin oder her.
Fakt ist aber: Dafür braucht es einiges an Durchhaltevermögen und euer angestrebtes Gewicht darf nicht zu extrem vom biologischen Idealgewicht abweichen.
Zunächst einmal müsst euer Wunschgewicht durch eine gesunde Ernährungsumstellung und ein angemessenes Sportpensum erreichen und beides dauerhaft beibehalten – nicht nur solange, bis ihr es erreicht habt. Dann gilt es, das neue Gewicht für mindestens neun Monate zu halten, denn so lernt euer Körper, seine körperlichen Prozesse auf das neue Gewicht abzustimmen und reguliert seinen Set-Point neu.
Auch hier gilt wieder: Dieser Mechanismus funktioniert genauso in die Gegenrichtung. Wenn ihr nämlich übergewichtig seid und trotz Diät nicht abnehmt, ist euer Set-Point vermutlich durch eine längere Überernährung erhöht – euer Körper „verteidigt“ jetzt den neueren, höheren Wert.
Wie gesagt ist die Set-Point-Theorie umstritten. Diverse Untersuchungen haben in der Vergangenheit aber interessante, stützende Argumente gefunden, die klar für die Existenz einer solchen These sprechen. Beispielsweise wurden gesunde junge Männer über mehrere Monate auf ein Kaloriendefizit von 25 Prozent ihres Energieverbrauchs gesetzt. Nach einigen Monaten hatten sie zwar Gewicht verloren, alelrdings nicht annähernd soviel wie erwartet. Stattdessen hatten sie mehrfach Heißhunger, beschäftigten sich gedanklich enorm mit Essen, Kochen und Rezepten und verspürten ihr Sättigungsgefühl schlechter. Die Forscher erklärten sich diese Reaktion dadurch, dass sie ihren Set-Point unterschritten hatten und ihr Körper mit allen Mitteln versuchte, diesen wieder zu erreichen.
Bei einer anderen Untersuchung sollten ebenfalls gesunde, normalgewichtige Männer über ihrem Kalorienbedarf essen. Anfangs nahmen sie zwar erwartungsgemäß schnell zu, gegen Ende des Versuchs mussten sie sich jedoch regelrecht anstrengen, weiter zuzulegen.
Andere Argumente für die Set-Point-Theorie kennt ihr selber: Ihr nehmt ja auch nicht zu oder ab, wenn ihr mal ein paar Tage über bzw. unter eurem Energiebedarf esst, oder?!
Und genauso habt ihr alle schon mal vom Jojo-Effekt bzw. vom sogenannten Hungerstoffwechsel gehört, richtig?! Erwiesenermaßen schraubt euer Körper nämlich in einer Diät seinen Kalorienbedarf runter oder signalisiert euch durch Hunger, dass ihr mehr essen müsst.
Kurz: Der Set-Point-Theorie zufolge sind Diäten KEINE dauerhaft wirksame Methode, um das eigene Gewicht zu senken. Sie führen zu einem kurzen Abnehmen, aber in der Regel pendelt sich das Ausgangsgewicht nach einiger Zeit wieder ein – oder sogar ein Wert darüber.
Passend dazu: Kalorienbedarf berechnen.
Gegner der Set-Point-Theorie kritisieren, dass physiologische Faktoren vernachlässigt werden. Durch Veränderungen des Gewichts ändert sich nämlich auch die Körperzusammensetzung und dementsprechend der Energieverbrauch. Die Set-Point-Theorie berücksichtigt aber Fett als Hauptfaktor für das körpereigene Feedbacksystem und ignoriert Muskeln – diese sind jedoch viel entscheidender für den Energieverbrauch.
Zudem führen Kritiker an, dass es genug Menschen gebe, die viel – auch auf ungesundem Wege – abgenommen hätten und dieses neue Gewicht dauerhaft halten würden.
Last but not least: Umweltfaktoren spielen in der Set-Point-Theorie überhaupt keine Rolle, aber gerade in unserer westlichen Welt bekommt Essen beispielsweise auch einen sozialen Aspekt.
In Folge der durchaus berechtigten Kritik wurde die Set-Point-Theorie vor einigen Jahren zur Settling-Point-Theorie erweitert.
Diese berücksichtigt zwar die Grundlagen der Set-Point-Theorie, beispielsweise dass es ein individuelles Körpergewicht gibt, welches der Körper anstrebt und bei dem er optimal funktioniert, jedoch auch Einflussgrößen wie biologische Faktoren (z.B. Krankheiten), Umweltfaktoren (z.B. soziale Funktionen des Essens) oder kognitive Stimuli (z.B. Geruch von Essen).
Zusammenfassend könnt ihr euch merken: Die Set-Point-Theorie ist sicher keine Ausrede, auf gesunde Ernährung und ausreichend Bewegung zu pfeifen und sich stattdessen mit Burger und Chips auf dem Sofa zu verschanzen. Trotzdem hat sie einen wahren Kern und der Ernährungsforschung viele Erkenntnisse hinsichtlich des Konstrukts Bewegung, körperliche Reaktionen und Energieverbrauch geliefert. Durch die Vernachlässigung immer wichtiger werdender Umweltfaktoren solltet ihr die Set-Point-Theorie aber nicht zu ernst nehmen.
Merkt euch einfach: Diäten und exzessiver Sport sind nie eine gute Idee, haltet euch lieber an eine dauerhafte gesunde Ernährungsumstellung und ein sinnvolles Workoutpensum – genug Tipps und Inspirationen dafür findet ihr auf meiner Website!
Was sagt ihr zur Set-Point-Theorie: Nur eine Ausrede für Übergewichtige oder berechtigter Einwand?
Euer Prinz