Es gibt so ein paar Themen im Sport, die häufig diskutiert werden, ohne dass wirklich was bei rum kommt. Genau so ein Thema ist das Dehnen. Die einen sind Team ‚vor dem Sport dehnen‚, um das Verletzungsrisiko zu reduzieren. Die anderen sind Team ‚nach dem Sport dehnen‚, um Muskelkater vorzubeugen. Und dann gibt’s noch diejenigen unter euch, die dehnen komplett sinnlos finden und es ganz sein lassen. Was stimmt denn jetzt und wie dehnt man sich überhaupt?! Was ihr übers Dehnen wissen solltet, erfahrt ihr hier.
Zu Beginn ein bisschen Theorie: Es gibt zwei verschiedene Dehnmethoden. Man unterscheidet zwischen dem statischen Stretching und dem dynamischen Dehnen. Beim statischen Stretching oder auch Dehnen wird die Dehnposition langsam eingenommen, der Muskel kontrolliert in die Länge gezogen und die Position 15 bis 45 Sekunden ohne Bewegung gehalten.
Beim dynamischen Dehnen nehmt ihr die Dehnposition ein und verlasst sie auch wieder, alles im Wechsel. Der Muskel wird aus einer federnden Bewegung heraus abwechselnd in die Länge gezogen und wieder gelockert. Das solltet ihr aber langsam und kontrolliert machen und ohne schwungvolle oder ruckartige Bewegungen. Das dynamische Dehnen aktiviert den Bewegungsumfang der Muskeln, Sehnen und Bänder.
Beim Dehnen als kleines Training könnt ihr solange dehnen, wie es euch gut tut. Bis zu 45 Sekunden sind sinnvoll, aber auch alles drüber geht in Ordnung. Ihr habt nur keinen weiteren Effekt davon, je länger ihr dehnt. Wenn das Dehnen nur ein Teil eures Aufwärmprogramms ist, dann bleibt bei 5 bis 10 Sekunden. Eine längere Dehnung führt zu einer Absenkung des Muskeltonus, also eurer muskulären Grundspannung in Ruhe. Danach ist ein intensives Workout nicht mehr ganz so passend.
Die längere Dehnung macht eher zur Entspannung Sinn. Später steigt die Spannung zwar wieder, aber dafür müsstet ihr extrem lange dehnen, was dann wiederum ziemlich sinnlos ist.
Langfristig kann regelmäßiges Dehnen zur Erhaltung und Steigerung der Beweglichkeit der Gelenke und der umliegenden Strukturen wie Bänder und Sehnen beitragen. Fehlhaltungen und Dysbalancen können sogar verbessert werden.
Durch die Konzentration auf die langsamen Bewegungen und euch selbst bekommt ihr ein besseres Gefühl für den eigenen Körper, was euch im Umkehrschluss stärkt und das Wohlbefinden fördert. Bei Stress kann es durch die Absenkung des Muskeltonus zur Entspannung beitragen und eine Möglichkeit bieten „runterzukommen“. Nicht umsonst machen sich Yoga und Pilates diesen Effekt zu Nutze. Trotzdem solltet ihr auf die richtige Dauer der Dehnung achten, um wirklich zur Regeneration beizutragen.
Eine besondere Art der Dehnung ist übrigens auch Faszientraining. Durch den Druck der Foam Roll werden die Muskelfasern auch gestreckt und auseinandergedehnt.
Bei allem Positiven steigert das Dehnen aber nicht eure Fitness! Wer mehr dehnt als trainiert, braucht keine Muskelberge erwarten.
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Lange galt das Dehnen vor dem Sport als Möglichkeit, die Leistungsfähigkeit zu steigern. Es sollte Verletzungen vorbeugen und vor Muskelkater schützen. Das wurde wissenschaftlich aber nie bewiesen. Bei Sportarten, bei denen die Schnellkraft gefragt ist oder beim Gewichtheben, wo ihr Maximalkraft braucht, kann das Dehnen vor dem Sport sogar kontraproduktiv sein, da eure Muskelspannung absackt, je länger ihr dehnt.
Bei Sportarten, die eine hohe Beweglichkeit fordern, wie zum Beispiel die Leichtathletikdisziplin Hürdenlauf, Turnen, Ballett oder auch Kampfsportarten, gehört das Dehnen zum Aufwärmprogramm.
Bei allen Sportarten ist ein sportspezifisches Aufwärmen übrigens super wichtig. Beim Krafttraining solltet ihr die zu trainierenden Muskelgruppen lokal aufwärmen. Das funktioniert am besten durch die Ausführung der Bewegungen mit hoher Wiederholungszahl (mindestens 40 Wiederholungen) und geringem bis gar keinem Gewicht (maximal 10% der Maximalleistung). Macht ihr Ausdauertraining oder Teamsportarten, dann lauft euch locker rund 10 Minuten ein und macht sportspezifische Übungen. Beim Fußball können das beispielsweise Pässe sein. Macht ihr Schnelligkeitstraining, dann ist eher intensives Aufwärmen von sehr hoher Bedeutung.
Richtig dehnen ist vor dem Sport nicht zwingend erforderlich und nicht leistungssteigernd, schadet aber auch nicht. Wenn ihr aus Gründen der Gewohnheit nicht darauf verzichten wollt, dann müsst ihr das auch nicht. Aber wichtig: Nie kalt dehnen, sondern immer vorher aufwärmen!
Dehnen nach dem Sport soll dem Muskelkater vorbeugen. Das ist so nicht ganz richtig. Dehnen begünstigt ihn zum Teil sogar. Regeneration erfordert eine gute Durchblutung der Gefäße. Statisches Dehnen wirkt genau gegenteilig. Die Gefäße werden komprimiert, die Durchblutung der Muskulatur ist verschlechtert und das Risiko eines fiesen Muskelkaters steigt sogar. Muskelkater kann eher mit lockerem Abwärmen durch auslaufen und Lockerung der Muskulatur entgegen gewirkt werden. Wollt ihr auf gar keinen Fall aufs Dehnen verzichten, dann beschränkt euch auf leichte dynamische Dehnübungen. Während des Trainings ist dehnen nur sinnvoll, wenn ihr das Gefühl habt, einen Krampf zu bekommen. Dehnt euch nur nach lockeren Einheiten und nicht nach intensiven Einheiten oder gar Wettkämpfen.
Um euch nach einem intensiven Training etwas Gutes zu tun, könnt ihr euch aktiv regenerieren – in Form von Saunagängen oder Massagen. Wenn ihr häufig Schmerzen im Nacken oder im Rücken habt, solltet ihr anstatt mit Dehnübungen dem Schmerz mit Kräftigungsübungen entgegen steuern, um langfristig Abhilfe zu schaffen. Dehnübungen können in diesem Fall nämlich nur kurzfristige Erleichterung verschaffen.
Übrigens verlängert ihr mit dehnen nicht eure Muskeln. Dehnen fördert lediglich die Flexibilität der Muskulatur. Die Länge der Muskeln ist genetisch festgelegt. Auch dehnt ihr bei den Dehnübungen nicht den Muskel, sondern die Bänder, Sehnen und das umliegende Zellgewebe.
Habt ihr Muskelkater, dann dehnt euch, wenn überhaupt, nur leicht. Die Dehnung kann nämlich die Schmerzen nicht lindern, sondern eher noch verstärken, da ihr durch die Dehnung die feinen Geweberisse noch weiter auseinander reißen könnt. Leichtes Dehnen ist aber nicht verkehrt, da ihr Reize setzt, den Muskelriss und die Muskelstruktur korrekt wiederaufzubauen und sich die Muskelfasern wieder richtig ausrichten.
Passend dazu: Was hilft gegen Muskelkater?
An die Kraftsportler unter euch: Ihr müsst nicht zwangsläufig dehnen, ihr braucht keine große Gelenkreichweite bei euren Übungen. Aber je beweglicher euer Gewebe ist, desto geschmeidiger bleiben eure Bewegungen bei den Ausführungen eurer Übungen und desto leichter fallen euch Bewegungen. Wenn ihr euch dehnen wollt, dann macht das am besten nach dem Workout mit dynamischem Dehnen oder an einem krafttrainingsfreien Tag.
Wenn ihr bei eurem nächsten Krafttraining keine Lust aufs Laufband oder Fahrradergometer habt, dann könnt ihr diese dynamischen Dehnungsübungen zum Aufwärmen machen:
Speziell für die Fußballer unter euch eignen sich folgende Übungen:
Wenn ihr fit und gesund seid, dann macht es gar keinen so großen Unterschied, ob ihr euch dehnt oder nicht. Ihr solltet euch aber dehnen, wenn:
Insgesamt ist das Dehnen nach dem Sport sinnvoller als vorher. Statisches Dehnen sollte eher als isolierte Trainingseinheit betrachtet werden. Dynamisches Dehnen hat keinen negativen Einfluss auf die Leistung und kann gut im Anschluss einer Einheit gemacht werden. Hört auf euren Körper, ihr kennt ihn am besten und macht das, was euch gut tut.
Wer von euch dehnt sich regelmäßig und wer hält nichts vom Dehnen? Schreibt mir!
Euer Prinz